Ordination von Pfarrer Thilo Neuhaus

Predigt von Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner zu Psalm 103,2 am 13.09.2020 in Mengersdorf

Liebe Festgottesdienstgemeinde, vor allem lieber Thilo Neuhaus,

wir feiern heute eine ungewöhnliche Ordination. Nicht nur, weil unser Ort im Freien ist, sondern auch, weil Sie, lieber Herr Neuhaus, ungefähr 20 Jahre älter sind als die sonstigen Ordinanden. Sie können auf weit mehr Erfahrungen zurückschauen.
Insofern passt auch der heutige Wochenspruch aus Psalm 103 in besonderer Weise zu Ihnen: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er Dir Gutes getan hat“. Auch das Evangelium dieses Sonntags nimmt mit in dieselbe Richtung. Einer der zehn Aussätzigen kehrt nach seiner Heilung um, fällt vor Jesus auf die Knie, dankt ihm und preist den Vater im Himmel.

Beide Bibelworte regen dazu an, auf unser Leben zu schauen mit der inneren Frage: Wofür kann ich den Vater im Himmel preisen? Für welche Ereignisse, Wendungen und Fügungen kann ich Jesus danken – vielleicht sogar auf Knien?
Es gab wenige Situationen im Leben, in denen ich auf Knien gebetet habe. Zum ersten Mal als Jugendliche, als ich allein in meinem Zimmerchen zu Christus sagte: „Dir gehört mein Leben“. Dann waren es vor allem große Herzensbitten, die ich auf Knien vorgebracht habe. Aber ich gestehe: Auf Knien gedankt, habe ich noch nie. Das ist ein bewegendes Evangelium, das wir heute gehört haben. Es bewegt uns zur Dankbarkeit – vielleicht sogar einmal im Stillen auf Knien.

Sie, lieber Thilo Neuhaus, werden heute am Altar knien, wie alle, die zum Amt der öffentlichen Wortverkündigung und Feier der Sakramente ordiniert oder beauftragt wurden. Wir werden für Sie beten und Ihnen die Hände auflegen, Sie berufen, segnen und senden.
Es wird so aussehen, als ob Sie vor mir knien. Aber dieser Gedanke ist nur räumlich gesehen richtig - geistlich betrachtet aber absurd. Im Geist knien Sie vor Christus. Denn Ihr eigentlicher Ordinator ist Jesus Christus, der Sie ruft, segnet und sendet. Ich richte sein Wort an Sie aus. Es ist seine Gegenwart, die uns umfängt.
Gewiss mischt sich auch in Ihre Haltung große Dankbarkeit, dass diese Ordination nun geschieht. Gott hat Sie einen ganz besonderen Weg geführt, für den auch ich dankbar bin.
Geboren und aufgewachsen, getauft und konfirmiert sind Sie in Hagen, Nordrhein-Westfalen. Durch Ihr Engagement in der Kirchengemeinde reifte die Gewissheit, dass der Pfarrberuf für Sie die richtige Lebensaufgabe ist.
Sie studierten Theologie und absolvierten das erste theologische Examen im Jahr 1998. Doch die Westfälische Kirche pflegte damals eine ganz andere Personalpolitik als wir in Bayern. Sie übernahm viele Theologen nicht in den Vorbereitungsdienst. Das traf auch Sie. Dankbarkeit fällt in solch einer Situation schwer.
Tapfer sattelten Sie um und absolvierten in den Jahren 1998-2000 eine Buchhändlerlehre und studierten parallel Wirtschafts- und Arbeitsrecht bis zur Zwischenprüfung.
Nach einer zusätzlichen Fortbildung zum Personalberater, waren Sie kurzzeitig tätig bei der Societät Logos in Frankfurt und vermittelten IT-Spezialisten.
Es war ein großes Glück – Grund zur Dankbarkeit, dass Sie bevor der IT-Markt zusammenbrach, den Absprung schafften. Ab 2002 übernahmen Sie für 3,5 Jahre die Leitung der Bonifatius-Buchhandlung in Dortmund.
Im Anschluss wurden Sie zunächst im Gütersloher Verlagshaus Key Account Manager und danach Senior-Produktmanager für das Gütersloher Verlagshaus, den adeo-Verlag und den Kösel-Verlag – zuständig für München und Paderborn.
Doch die eigentliche Berufung zum Pfarrdienst ließ Sie nicht los. Gott führt merkwürdige Wege, sehr liebevoll in Ihrem Fall: Sie lernten Ihre jetzige Ehefrau kennen, die ebenfalls einen besonderen Weg zurückgelegt hatte. Sie hatte sich damals innerlich gerade davon verabschiedet Nonne zu werden und dies, obwohl sie schon das Postulat bei den Benediktinerinnen in Marienrode absolviert hatte. Doch sie spürte, dass dies nicht ihre Weise sein wird, Christus nachzufolgen. Die christliche Spiritualität freilich und die Einübung in die Frömmigkeit blieben ihr Lebensquell.
Sie lernten einander kennen und lieben und sind inzwischen 12 Jahre verheiratet. Ich bin dankbar: Gott hat durch Ihre katholische Ehefrau Ihre Berufung evangelischer Pfarrer zu werden genährt und gab Ihnen für Ihre christliche Frömmigkeit wichtige Impulse.
Sie klopften daher erneut bei der westfälischen Kirche an, bestanden ein anspruchsvolles Aufnahmeverfahren in den Vorbereitungsdienst zum Pfarrberuf und wagten den Schritt, Ihre unbefristete Stelle zu kündigen.
Sie wurden Vikar der Evangelischen Kirche von Westfalen und absolvierten den Vorbereitungs-dienst als Gastvikar unserer Kirche in der Andreasgemeinde München-Fürstenried. Sie bestanden das zweite theologische bayerische Examen.
Zum 1. September wurden Sie rechtlich ins Pfarrerdienstverhältnis unserer Landeskirche aufgenommen und werden mit der heutigen Ordination Pfarrer im Vollsinn. Ihre heutige Berufung, Segnung und Sendung zur öffentlichen Verkündigung und Feier der Sakramente wird über den Ruhestand hinaus gelten, lebenslang.
Vermutlich konnten Sie Gottes Weg mit Ihnen, als die Tür zum Pfarrberuf zuging, nicht verstehen. Dabei spürten Sie Ihre Berufung dazu untrüglich. Ihr Weg war voll Hürden und Beschwernisse aber auch neuer Horizonte. Er hat zum einen zu hoher organisatorischer, wirtschaftlicher und personeller Leitungsfähigkeit geführt und zum anderen und vor allem zur geistlichen Vertiefung Ihrer Frömmigkeit. Beides – und vor allem das zweite - ist grundlegend für den Pfarrberuf.
Heute halten wir inne und sind dankbar für Ihren Weg und Gottes Führung darin. Wir sind zudem dankbar, dass Sie beide gerne nach Obernsees und Mengersdorf kommen – obwohl dies für Ihre Frau beruflich nicht einfach ist. Wir hoffen, dass Sie beide sich hier so wohlfühlen, dass Sie sich in drei Jahren auf die Stelle bewerben werden.
Es ist für diese Stelle gut, dass hierher ein Pfarrer mit Lebens- und Leitungserfahrung kommt. Es braucht freundlich-klare Integrationsfähigkeit in einer Pfarrei mit zwei liebenswerten - doch durchaus unterschiedlichen Kirchengemeinden. All dies und noch viel mehr bringen Sie mit. Wir halten inne und sagen Gott Dank.
Ich meine auch, dass ein Pfarrer wie Sie in konfessionsverbindender Ehe ein Brückenbauer sein kann. Immernoch nehme ich bei manchen Evangelischen eine Abwehr gegenüber katholischer Frömmigkeit wahr. Als ob wir Evangelische die besseren Christen seien. Auch einige wenige katholische Christen oder auch freikirchliche gibt es mit dieser Haltung. Egal in welcher christlichen Kirche: Das ist hochmütig und Grund zur Buße, zur Umkehr also, so wie dieser eine Gesundete umkehrte zu Jesus hin.
Ja, es gibt Unterschiede: Etliche katholische Christen beten auch zu den Heiligen, evangelische beten mit den Heiligen zu Christus. Vor allem in der Amtstheologie unterscheiden wir uns.
Ich bin leidenschaftlich gerne lutherisch und schätze unser theologisches und liturgisches Profil. Doch ich hoffe so sehr, dass zu unserem Lutherisch-Sein eine wachsende Liebe zu den anderen christlichen Konfessionen gehört. Ich selbst habe schon viel von frommen Katholiken und Anglikanern gelernt; und ich kenne viele Katholiken oder auch Reformierte, die dankbar Impulse aus der Lutherischen Kirche aufnehmen. Weiter so.
Unsägliche Verletzungen wurden noch vor 30-40 Jahren zugefügt, wenn  ein junger Mensch eine Frau oder einen Mann mit dem falschen Gesangbuch heiraten wollte.  Auch für die Heilung der Trennung zwischen den Konfessionen, die in unserer Generation so vorankam, können wir Jesus auf Knien danken.
Wir werden unterschiedlich profilierte Kirchen bleiben. Wir danken Christus für diesen Reichtum und die wachsende Liebe zueinander.
Wie auch immer unser Lebens- und Glaubensweg war - die Bibelworte des Sonntags leiten uns an zur Dankbarkeit und zum Lob Gottes: Der Geheilte läuft zu Jesus zurück; und auf dem Weg hin zu Jesus, fällt ihm so viel ein, was Jesus ihm geschenkt hat, indem er ihn geheilt hat. Und zur Heilung, die Jesus in ihm bewirkt hat, gehört auch diese Dankbarkeit. Denn dieser Dank macht unser Leben froh und das Lob Gottes macht unsere Freude tief.

Lasst uns nun voll Dankbarkeit Thilo Neuhaus ordinieren.
Vor der Ordination bitten wir singend um die Gegenwart des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist.
Amen.