Festgottesdient 50 Jahre Nikodemuskirche Bayreuth am 09.07.2023

Predigt zu Johannes 3 und 7 und 19

Liebe Festgottesdienstgemeinde,

Nikodemuskirche - das ist ein schöner und zugleich seltener Name für Kirchen. Pfarrer Opitz erzählte mir, dass dieser Name – weil er so ungewöhnlich ist - schon oft verunstaltet wurde. So kam im Pfarrbüro Post an für eine Nikolauskirche, eine Nepomuk-Kirche, und der Pizzaservice war froh, die Nikotinkirche gefunden zu haben.
Von unseren rund 1.980 evangelischen Kirchen und Kapellen in der bayerischen Landeskirche gibt es meines Wissens nur drei, die diesen Namen tragen. Er ist etwas Besonderes. So wie Ihre Kirchengemeinde etwas Besonderes ist. Wie kam es überhaupt zu diesem Namen? - Der muss einem ja erst einmal einfallen.

Der Name dieser Kirche stand wohl, als sie gebaut wurde, lange nicht fest. Elisabeth Hager, rührig wie sie war, hatte den zielführenden Gedanken an Nikodemus. Grund war, dass die Nikodemus-geschichte, die wir vorhin als Evangelium gehört haben, eine derjenigen biblischen Erzählungen ist, an denen Herrmann Preiser besonders gerne deutlich machte, was für unser Christwerden und Christsein wesentlich ist.
Elisabeth Hager erkundete, dass es bis dahin nur in München und Nürnberg eine Nikodemuskirche gab. Zu diesen Städten ließ sich Bayreuth doch gut gesellen. Als ihr Mann, Pfarrer Walter Hager, die Benennung Nikodemuskirche in der Gemeindeversammlung vorschlug, fand dies einhellige Zustimmung.
Weil die Antragstellung zum Namen etwas spät gestellt wurde, war die Genehmigung auch noch nicht in Bayreuth angekommen, als Kreisdekan Emil Flurschütz die festliche Einweihung vornahm. Doch er verwendete den Namen „Nikodemuskirche“ und so war sie geistlich unverrückbar benannt, bevor das Genehmigungsschreiben eintraf.

Die Evangelisten Matthäus, Markus oder Lukas erwähnen Nikodemus nicht, sondern nur das Johannesevangelium. Dort aber sogar in drei verschiedenen Kapiteln. Der Evangelist Johannes muss also eine besondere Quelle gehabt haben, die einfloss in sein Evangelium oder aber Nikodemus war eine tragende Persönlichkeit für die Entstehung der johanneischen Gemeinde.
Jedenfalls war Nikodemus, bevor er zu Jesus gehörte, ein so genannter „Oberer der Juden“, so wird er bezeichnet.
Er war also religiös und organisatorisch leitend verantwortlich unter den Juden zur Zeit Jesu.
Nikodemus hatte von Jesus gehört, hatte ihm sogar manchmal zugehört. Art und Inhalt seiner Verkündigung müssen Nikodemus so gepackt haben, dass er sich eines Nachts heimlich zu Jesus schleicht und tiefer bohren will, damit er erkennt, was Kern der Lehre Jesu ist und wer dieser Jesus ist. Keiner von den anderen jüdischen Leitungspersönlichkeiten soll von diesem nächtlichen Treffen wissen.
Jesus nimmt sich für Nikodemus sehr viel Zeit. Ich habe die Wörter nicht gezählt, doch vielleicht ist es sogar der längste Dialog zwischen Jesus und einem anderen Menschen, der im Neuen Testament aufgezeichnet ist. Die beiden bohren wirklich tief.
Kernsätze seines Evangeliums spricht Jesus zu Nikodemus. Er geht mit Nikodemus Schritte des Glaubens. Fünf nenne ich. Gehen wir doch alle innerlich diese Schritte, die Jesus mit Nikodemus geht, mit.

Der erste Schritt - Jesus sagt Nikodemus auf den Kopf zu:
Jeder braucht eine Neugeburt, sonst kommt er nicht in Gottes Reich. Daran hakt Nikodemus sich fest in jenem nächtlichen Gespräch: „Wie kann ein alter Mensch von neuem geboren werden?“, fragt er. Vielleicht ist Nikodemus ja auch schon selbst in die Jahre gekommen. Offensichtlich trifft ihn das ins Mark, denn er will ja nach seinem Tod bei Gott sein. Jesus wiederholt und spitzt sogar zu: „Wer nicht von neuem geboren ist durch Wasser und Geist, wird nicht ins Reich Gottes kommen.“
Vielleicht fragt sich nun hier im Raum jemand wie Nikodemus: Bin ich denn von neuem geboren? Bin ich wiedergeboren aus Wasser und Geist, also durch Taufe und Glaube? Getauft bin ich, aber wirkt Gottes Geist in mir; ist mir der notwendige Glaube geschenkt?

Jesus lässt Nikodemus nicht in dieser Unsicherheit, er sagt ihm in einem zweiten Schritt, welcher Glaube ihm die Tür in Gottes Reich öffnet:
Quasi vorausschauend auf seinen eigenen Kreuzestod, hilft Jesus dem Nikodemus diesen Tod am Kreuz zu deuten. Jesus erinnert Nikodemus an eine Geschichte im Alten Testament: Die Israeliten wurden in der Wüste von einer Schlangenplage heimgesucht. Die Schlangenbisse waren tödlich. Auf Gottes Geheiß hin fertigte Mose aus Erz eine um einen Stab gewundene Schlange.
Gott hatte verheißen, wer auf diese eherne Schlange blickt, wird trotz Schlangenbiss nicht sterben.  
Wir alle kennen diese um den Stab gewundene Schlange als Heilungssymbol, auch Äskulabstab genannt. Es findet sich fast an jeder Apotheke. Wie die erhöhte eherne Schlange in der Wüste, so ist der am Kreuz erhöhte Christus das rettende Heilmittel zum Leben. Wer auf ihn schaut, wer an ihn glaubt, ist gerettet aus der Todverfallenheit und hat das ewige Leben, auch wenn er stirbt.
Diese gute Botschaft fasst Jesus in dem Kernsatz zusammen: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben“. Dieses „Also“ zu Beginn dieses Bibelwortes können wir auch übersetzten mit „so sehr“. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er uns seinen einzigen in die Welt hineingeborenen Sohn gab.
Nikodemus versteht, Gott liebt nicht nur den, der schon glaubt, sondern er liebt die Welt, die Menschen in der Welt. Er liebt also in jedem Fall auch mich. Jesus ist der lebendige Beweis der Liebe Gottes zu mir.

Und dann kommt der dritte Schritt, den Jesus mit Nikodemus geht. Er sagt ihm: Ob jemand wiedergeboren ist aus Wasser und Geist, aus Taufe und Glauben an den Gekreuzigten, das wird sich zeigen im Leben, an den Werken. Wenn Gott so sehr liebt, dann kann es auch nicht anders sein, als dass alle, die an ihn glauben, Menschen mit großer Liebe werden, mit Liebe zu allen Menschen, auch denen, die nicht an Jesus glauben - eben zur Welt. Es wächst die große Sehnsucht Gottes im Herzen, dass alle zum Glauben an den Heil- und Rettung-bringenden Jesus finden.
Diese Liebe zu den Menschen in dieser Welt - gerade auch zu denen, die nicht an Jesus glauben, prägt das Profil der Nikodemusgemeinde. Hier gibt es Gruppen und Kreise für jedes Alter. Freizeiten werden angeboten, zu denen manchmal auch Menschen mitkommen, die voller Fragen sind, so wie Nikodemus. Viele von Ihnen trauen sich, andere zum Gottesdienst einzuladen und auch Kirchenferne Menschen mitzubringen. Denen wird es dann auch leicht gemacht am Gottesdienst teilzunehmen, weil durch beste Technik alle Teile der Liturgie, die zum mitsingen und mitbeten gedacht sind, an die Wand projiziert werden.
Und - und das ist in meinen Augen besonders bemerkenswert: Ihre Gemeinde betreibt offene Arbeit für Kinder und Jugendliche; für die Kinder durch „die KiWi“, die Kinderwiese - inzwischen mit Haus in der Wiese - sodass bei jedem Wetter Treffen möglich sind; und für Jugendliche durch das Flux. Offene Jugendarbeit ist die Königsdisziplin unter den Formen der Jugendarbeit, weil sie am allerschwersten ist. Zu Jugendlichen, die im Elternhaus zu wenig Liebe und Förderung erfahren aus unterschiedlichsten Gründen, zu solchen Jugendlichen Zugang zu finden, ist so schwer. Danke, dass Sie ihn suchen. Dazu braucht es die große unverwüstliche Liebe Gottes im Herzen.

Wie ging es dann eigentlich mit Nikodemus weiter? Das siebte Kapitel des Johannesevangeliums erzählt uns den vierten Schritt. Die Oberen der Juden waren aufgebracht, dass die von ihnen beauftragten Knechte nicht - so wie sie sollten - Jesus gefangen genommen hatten. Deren Begründung brachte sie noch mehr in Rage: „Niemand lehrt so wie er!“ „Ihr seid auch schon verführt!“, wettern daraufhin die Oberen der Juden.
Da widerspricht Nikodemus und stellt mit einer Frage ihr Verhalten in Frage: „Richtet denn unser Gesetz einen Menschen, ehe man ihn angehört hat und erkannt, was er tut? Da spüren alle: Nikodemus ist auch von Jesus überzeugt.“
Aus dem suchenden Gespräch in der Nacht ist ein Bekenntnis mitten am Tag geworden - noch dazu vor anderen Leitungspersönlichkeiten.

Der fünfte Schritt: Das Johannesevangelium erzählt, was Nikodemus nach Jesus Tod macht. Die erhöhte eherne Schlange - daran hat er wohl bei der Kreuzigung denken müssen. Jesus am Kreuz bringt Heilung für die todverfallene Welt.  Der Blick auf ihn, der Glaube an ihn schenkt ewiges Leben. Darum kauft er 100 Pfund Myrrhe und andere Spezereien, um den Leichnam Jesu zu salben, so wie man Könige salbt. Er gibt ein Vermögen dafür aus, seinen am Kreuz gestorbenen König zu ehren. Welche Freude muss ihn erfüllt haben am Ostertag, dass der König seines Herzens lebt!

Nikodemuskirche - dieser Name war Programm für diese Kirchengemeinde in der Vergangenheit. Sie will nichts anderes, als dass Jesus diese Schritte mit jedem Menschen geht und mit uns:
Wir werden wiedergeboren zu neuem Leben durch die Taufe und Gottes Geist.
Der schenkt uns Glauben, dass Christus am Kreuz unsere Rettung aus dem Tod ist.
Das verändert unser Leben, weil die in seinem Sohn erwiesene Liebe Gottes zur Welt in unserem Herzen wächst.
Es wächst sogar der Mut, dass wir uns zu unserem Glauben bekennen, - weil Jesus, der König dieser Welt, auch der König unseres Herzens geworden ist.

Nikolaus, Nepomuk, Nikotin - wenn Menschen den Weg in diese Nikodemuskirche finden und vor allem den Weg des Nikodemus gehen, ist Freude hier und im Himmel.
Amen.