Ordination von Nicola Aller

Predigt am 4. Sonntag nach Trinitatis, 10.7.2022 in der Kirche St. Martin in Töpben

Wir hören das Bibelwort für die Predigt. Es steht im Johannesevangelium, Kapitel 8, die Verse 3-11:

2Frühmorgens aber kam Jesus wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie. 3Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte 4und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. 5Mose hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? 6Das sagten sie aber, um ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, ihn zu verklagen. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7Als sie ihn nun beharrlich so fragten, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. 8Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9Als sie das hörten, gingen sie hinaus, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand.10Da richtete Jesus sich auf und sprach zu ihr: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? 11Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.

Liebe Gemeinde, vor allem liebe Frau Aller!
Das ist heute das für den Sonntag vorgesehene Predigtwort. Was hat denn die Geschichte von der Ehebrecherin mit Ihnen zu tun?
Auf den ersten Blick gar nichts, denn Sie leben – so zumindest meine Wahrnehmung – in einer liebevollen Ehe, der – nach schwerer anderer Erfahrung – ein gesundes Kind geschenkt worden ist. Die Situation ist grundlegend anders.

Trotzdem sehe ich drei Berührungspunkte.
Der erste:
Es ist eine der ganz typischen Jesusgeschichten, die seine Zuwendung zu den Menschen zeigen, seine unbedingte Annahme. Hätte er anders reagiert, dann wäre diese Frau gesteinigt worden. So aber wendet er das Blatt und verwandelt den Ehebruch der Frau zu einer Anfrage aller an sich selbst:
Seid Ihr etwa ohne Sünde? Das ist eine Frage, bei der in uns alle moralische Überheblichkeit erstirbt.

Diese biblische Geschichte hat unseren Umgang mit moralischem Fehlverhalten grundlegend geprägt.
Diese Geschichte zeigt uns den für Jesus typischen Dreischritt: Er nimmt diese Frau an, zeigt seine von Herzen kommende Barmherzigkeit. Er entzieht jeder moralischen Überheblichkeit den Boden und erhebt den ethischen Anspruch auf ihr zukünftiges Leben.
Jesus sagt ja nicht: „Schwamm drüber gute Frau“, sondern er sagt am Ende zu ihr: „Sündige hinfort nicht mehr“ – der Ehebruch ist also sehr klar als Sünde benannt. Doch Jesus wendet sich nicht mit Grausen ab, sondern in Liebe zu und ermöglicht einen echten Neubeginn im Leben.

In diesem Jahr können wir uns an den 450. Geburtstag Lucas Cranachs erinnern. Er war der Maler der Reformation und hat reformatorische Lehrbilder gemalt. Mehrere hängen in der Dauerausstellung auf der Festung Rosenberg in Kronach. Und eines der Gemälde heißt „Jesus und die Ehebrecherin“. Ich habe es auch in meinem diesjährigen Reformationsbrief abgedruckt. Weil es so faszinierend ist: Jesus nimmt die Ehebrecherin sogar an der Hand, nimmt sie an, führt sie in die Zukunft. Nur sieht man das auf diesem Bild nicht mehr. Das war offensichtlich so skandalös, dass Maximilian von Bayern im Zuge der Gegenreformation diese Handhaltung übermalen ließ. Doch an der Armführung sieht man immer noch deutlich, was Jesus getan an.

Der erste Berührungspunkt ist also: Das ist eine Lehrgeschichte für uns Christen. Sowohl in der Seelsorge wie auch im Freundeskreis wie auch in der Familie bleiben Verfehlungen verschiedener Art nicht aus. Da gilt es diesen Dreiklang zu beherzigen von völliger Annahme des Menschen, Aufgabe jeder moralischen Überlegenheit und klarer ethischer Orientierung. Das ist der Lernweg, den Jesus uns weist.

Der zweite Berührungspunkt: Der Beginn der Erzählung ist hinsichtlich der Gleichberechtigung der Geschlechter doch der helle Wahnsinn: Da soll die Frau gesteinigt werden. Zum Ehebruch gehören aber immer zwei. Wo ist bitte der Mann, der mit ihr im Bett lag? Von dem redet kein Mensch. Die Frau wird allein beschuldigt und soll sterben.
Ob Jesus diese Farce kritisiert? Faktisch setzt er die geschlechtsspezifische Unterdrückung außer Kraft. Er war ein Umstürzler aber nicht aus Prinzip oder gar Aggression, sondern einfach, weil er jeden Menschen ehrte, schätze und befähigte. Maria Magdalena macht er zur Apostelin der Apostel, indem er sie zu den Jüngern sendet, die Auferstehungsbotschaft zu verkünden. Auch die Frau am Brunnen, mit der er über ihr Leben redet, wird zur Missionarin im Dorf.
Unsere Kirche hat lange gebraucht, bis sie soweit war wie Jesus vor 2000 Jahren. Seit 1975 haben wir die Frauenordination. Es wäre schon früher unserem Herrn entsprechend gewesen. Immerhin haben wir sie nun und sind froh und dankbar darüber.  
Und deshalb freut es mich, liebes Ehepaar Aller, wie Sie sich Beruf und Familie partnerschaftlich teilen.
Lieber Herr Aller, ich danke Ihnen explizit für Ihre Partnerschaftlichkeit. Liebe Gemeinden in Töpen, Isaar und Münchenreuth, bitte unterstützt ihn auch dabei. Dieses berufliche Tandem soll ja Zukunft haben. Wir freuen uns so sehr über beide.

Sie, liebe Frau Aller, - es geht ja heute um Sie - Sie bringen so viel mit, was zum Einsatz kommen will und soll. Von Ihren vielfältigen Gaben, Erfahrungen und Fähigkeiten greife ich exemplarisch nur wenige Facetten heraus:
Sie wuchsen in Maxsain bei Koblenz auf und genossen nicht nur selbst eine persönliche Einübung ins Christsein, sondern leiteten in ihrer Kirchengemeinde Maxsain fünf Jahre lang Kindergottesdienst und dann den ökumenischen Kindertreffs.
Sie hatten offensichtlich darüber hinaus so viel Energie, dass sie auch noch parallel aktives Mitglied der Feuerwehr in Maxsain wurden.
Sie sind musikalisch, spielen selbst Saxophon und andere Instrument, absolvierten die Ausbildung zur Bläsermentorin und zur Registerführung im Blasorchester - und waren sogar freiberuflich als Musiklehrerin an der Musikschule Dierdorf tätig.
Sie haben vertieft wissenschaftlich gearbeitet z.B. am Lehrstuhl für Praktische Theologie von Prof. Abrecht an der Ludwig-Maximilian-Universität München und haben dort sogar schon Lehrtätigkeiten übernommen.
Dieses große Spektrum an Erfahrungen hat sich im Theologiestudium in Neuendettelsau – mit kurzem Ausflug in die Rechtswissenschaft – und dann wieder Theologie in Leipzig, Bonn und wieder Neuendettelsau und auch im Vorbereitungsdienst an der Bayreuther Friedenskirche und dann in Weidenberg bei Frau Lauterbach noch erweitert, sodass Sie nun bestqualifiziert in den Pfarrdienst eintreten
Gerade auch für die Tätigkeit an der Fachakademie für Sozialpädagogik sind Sie also bestens vorbereitet:
Ihre Tätigkeit im Kindergottesdienst und Kidstreff, Ihre große Musikalität, Studium und Vikariat und eben auch ihre Lehrtätigkeit an der Uni haben sie bestens vorbereitet auf Ihren Dienst als Dozentin für Theologie und Religionspädagogik an der Akademie für Sozialpädagogik in Trägerschaft der Diakonie Neuendettelsau in Hof.
Sie haben Freude an elementarer Verkündigung in Wort und Lied, an einer befreienden Spiritualität, die alles durchwirkt, an Beheimatung in den schönen Gestaltungsformen mit denen wir das Kirchenjahr leben. All das und noch viel mehr können Sie weitergeben.
Ihr Dienst in Ausbildung zukünftigen Fachpersonals für unsere Kindertagesstätten wird dann auch auf Ihre Gemeindepraxis zurückwirken. Ein wenig Gemeindepraxis, die Sie ehrenamtlich tun, wird nämlich zu Ihrem Probedienst gehören. Denn Gottesdienste, Taufen, Trauungen, Beerdigungen müssen am Ende des Probedienstes eingeübt sein und beurteilt werden.
Davon hat die hiesige Gemeinde etwas und ich hoffe, lieber Herr Aller, dass Sie dadurch auch etwas mehr Zeit für Ihr Töchterchen (Eleonore Theodora) haben.

Zwei Berührungspunkte mit der biblischen Geschichte hatten wir schon: die ungebrochene annehmende Zuwendung Jesu und die Selbstverständlichkeit mit der Jesus Frauen schätzt und sendet und schließlich nun der dritte Gedanke:
Ich bin hängen geblieben an einer Szene, die unser Bibelwort malt. Dort heißt es wörtlich: „ Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand“.
Sie, liebe Frau Aller stehen heute in der Mitte. Natürlich sind wir da; wir sind die Gemeinde, die für Sie betet, Sie segnet und Sie sendet. Und doch stehen Sie nicht nur vor mir, sondern eigentlich vor Jesus. Meine letzte Frage wird lauten:
Bist Du bereit in der Nachfolge Jesu Christi zu leben. Darum geht es ja im Kern. Er hat Sie gerufen, förmlich gezogen ins Studium, in die Beziehung zu ihm. Er ist es, der Sie sendet zu Ihren Studierenden, ins Kollegium, in die Gemeinden – eben in seinen Dienst für die Menschen. Er ist es, der Sie segnet und Ihnen sagt:
Ich bin mit Dir, stärke Dich, schütze Dich und leite Dich in allem, was ich Dir anvertraue.
Wenn wir Sie nun berufen, senden und segnen ist er es, der Sie ruft, sendet, segnet für Ihren Dienst und für ein Leben mit ihm und für ihn.

Wir öffnen uns zuvor bewusst der Gegenwart des Heiligen Geistes mit dem Lied: Spirit lead me.