Ordination von Raphaela Holzinger am 19.03.2023 in Bad Staffelstein

Predigt zu Johannes 12,20-24

Liebe Festgottesdienstgemeinde,
vor allem liebe Raphaela Holzinger,

wir sind gegenwärtig in der Passionszeit. An den Sonntagen der Passionszeit sind die Evangelien-texte ernst. Unser Evangelium, das wir gerade gehört haben, endet mit dem Wort: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.
Als ich Sie bei unserem Ordinationsgespräch auf dieses Bibelwort ansprach, wurden wir ernst. Es ist ja zunächst einmal ein Wort Jesu über sich selbst: Er ist das Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt.  Für Jesus war die bewusste Hingabe in den Tod ein schwerer Schritt. Aber brachte Frucht.
Natürlich vergleichen wir uns nicht mit Jesus, und trotzdem ist das Bild des sterbenden Weizenkorns auch sprechend für den Schritt, den Sie in diesen Monaten gehen.

Sie wären gerne bei Ihren vier Kindern und Ihre Kinder bei Ihnen. Aber so lange das Pfarrhaus nicht bezugsfertig ist und Sie in einer Übergangs-wohnung leben, haben die Kinder hier in Staffelstein noch keine Bleibe.
Möge im Hochsommer der Einzug ins Pfarrhaus möglich werden. Ich grüße Sara, Hanna, Noah und Elisa sehr herzlich und wünsche Euch, dass sich das Miteinander bald neu einspielen wird, so wie es auch gut für Euch ist. Gott segne nicht nur Eure Mutter heute, sondern auch Euch.

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt... Auch das Verlassen Ihrer Kirche, liebe Frau Holzinger, ging nicht schmerzfrei, wobei die Schmerzen weniger mit dem Konfessionswechsel jetzt verbunden waren, sondern schon vorher mit schmerzlichen Erfahrungen in der katholischen Kirche. Trotzdem waren wir beide eher traurig über den kirchenkritischen Ton in manchen Medien der letzten Wochen. Denn weder Sie noch ich wollen die katholische Kirche kritisieren, zumal vieles in Ihrem Leben als katholische Christin wirklich gut und schön war:

In Ihrem Elternhaus war es eine gute Selbstverständlichkeit sich Tag für Tag Gott anzuvertrauen mit Gebeten morgens, mittags und abends. Wie gut, dass der sonntägliche Gottesdienstbesuch wie auch das Gespräch über Gott zum Leben gehörte. Wie gut, dass Sie als Ministrantin - auch bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen - Worte der Heiligen Schrift hörten, die für Sie voll Bedeutung waren.
Sie wuchsen auf in einer zutiefst ökumenisch geprägten katholischen Gemeinde in Bad Abbach, empfingen Abendmahl in beiderlei Gestalt mit Brot und Wein.
Längst sind Mädchen als Ministrantinnen in katholischen Gemeinden üblich. Doch als Sie Kind waren, fing das erst an. Im Jahr 1982 waren Sie erst 10 Jahre alt, doch ein Satz Ihres Pfarrers war wie ein Samenkorn in Ihrem Herzen, das Frucht trug. Er sagte: „Das sind unsere ersten Ministrantinnen. Vielleicht sind das auch unsere ersten Pfarrerinnen.“

Es ist nun in gewisser Weise so gekommen. Sie werden mit der heutigen Ordination Pfarrerin - nicht nur im rechtlichen, sondern auch im geistlichen Sinn durch Berufung, Segnung und Sendung zur öffentlichen Wortverkündigung und Feier der Sakramente.

In Ihnen, liebe Frau Holzinger, wuchs die Überzeugung, dass die evangelische Kirche eher ihre geistliche Heimat sein kann.
Drei Gründe habe ich bei Ihnen erkannt:
Zum einen: die Rechtfertigungslehre, so wie Martin Luther sie formulierte, ist für Sie ein großer Schatz. Sie zeigt, dass Gott in Jesus Christus, jeden Menschen, so wie er ist, annimmt aus reiner Gnade und Liebe vor jeder menschlichen Leistung. Diese große Menschenfreundlichkeit Gottes entspricht Ihnen, und Sie wollen sie ausstrahlen gegenüber jedem Menschen, egal in welcher Lebensform er lebt.
Zum anderen wissen Sie sich mehr in einer Amtstheologie zu Hause, die weniger die Hierarchie betont, sondern das Miteinander der Gläubigen in der Verkündigung Jesu Christi.
Und schließlich ist ein wesentlicher Punkt, der mit den beiden zuvor genannten zusammenhängt, dass Frauen völlig gleichwertig und gleich geachtet alle Ämter innehaben und alle Dienste vollziehen.

Auch wenn es Unterschiede zwischen den Kirchen gibt, so sehen Sie und ich doch viel mehr Gemeinsamkeit.
Das ist auch wichtig für Ihren Dienst als evangelische Pfarrerin. Wir wollen in der evangelisch-lutherischen Kirche nur Geistliche in den Dienst nehmen, die eine Liebe zur katholischen Kirche haben und ökumenischen Geistes sind. So ist es auch bei Ihnen.
Ihr Dienst in unserer Kirche als Pfarrerin trägt darum auch viel mehr Merkmale der Kontinuität als des Bruchs mit der Vergangenheit. Denn Sie waren schon bisher verantwortlich für die Predigt der frohen Botschaft von Jesus Christus.
Ich bin daher dankbar, dass das Evangelium des heutigen Sonntags zwei Teile hat:
Zum einen dieses starke Wort am Ende. Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. Ja gewiss, Ihr Weg hat auch mit schmerzhaften Abschieden zu tun, aus denen doch gute Frucht wachsen wird.
Zum anderen aber beginnt das Evangelium mit einer Szenerie, die zu Ihrem Weg noch viel mehr passt.
Menschen kommen auf den Jünger Philippus zu und sagen: Wir wollen Jesus sehen.  Philippus sorgt mit Andreas dafür, dass die Menschen Jesus sehen. Sie schlagen die Brücke zu Jesus.
In 100 Jahren werden beide Kirchen garantiert anders strukturiert sein - aber das wird sich nicht verändert haben, dass Menschen neugierig auf Jesus werden und ihn sehen wollen. Das ist so seit 2000 Jahren. Das Interesse an Jesus wird nie aufhören, denn seit er Mensch wurde, ist sein Leben wie ein Brennglas, das ein Feuer entzündet zum Glauben an Gott, zur Liebe zu allen Menschen und Hoffnung für diese Welt.
Genau das ist die große Kontinuität in Ihrem Leben: Sie sind wie die Jünger Jesu eine Frau, die mit Jesus lebt; mehr und mehr wurden Sie zur Brücke für Menschen zu Jesus hin. Und so wird es bleiben. Hier in den Kirchengemeinden Bad Staffelstein und Herreth werden Sie Menschen zu Jesus führen. Etwas Schöneres gibt es nicht. Das war Ihre Berufung und wird sie immer sein - nun als Pfarrerin mit allen Rechten und Pflichten.

Diese Aufgabe, Menschen zu Jesus zu führen, haben wir Kirchen gemeinsam. Und nur, indem wir diese Aufgabe in ökumenischer Liebe erfüllen, werden wir ihr gerecht. Sonst sind wir unglaubwürdig.
So war nicht nur das bestandene Kolloquium in evangelischer Theologie für unseren Pfarrdienst qualifizierend, sondern auch das Studium der katholischen Theologie, Ihr Dienst als Pastoralassistentin, und dann als Pastoralreferentin, zuletzt in der Stadtpfarrei Heilig Geist in Schweinfurt und auch als Gemeindeleiterin in Maria Hilf. Zudem waren Sie Mitarbeiterin im Dekanatsleitungsteam.
Diese Pfarrstelle hier hätte ich keinem Berufsanfänger geben können. Doch ich habe diese Stelle für die so genannte Probedienststellen-vergabe benannt, weil ich wusste, Frau Holzinger kommt. Mit all ihren Berufserfahrungen kann ich ihr diese anspruchsvolle Stelle zutrauen.

Ich danke ausdrücklich allen katholischen Christen, die heute mit uns feiern und die heute für Raphaela Holzinger beten und sie mit segnen für ihren Dienst und ihr Leben. Ich danke Ihnen, wenn Sie ihren Weg verstehen und achten.
Wir haben in der evangelischen Kirche vor wenigen Wochen Wilhelm Pechmann geehrt. Pechmann war ab 1919 der erste Präsident der Landessynode und als Jurist entscheidend beteiligt an der Formulierung der neuen Kirchenverfassung. Er trat aus der evangelischen Kirche aus und wurde im Jahr 1946 - zwei Jahre vor seinem Tod - katholisch, weil er nicht akzeptieren konnte, wie wenig sich seine eigene Kirche den Nazis entgegenstellte.
Es hat mich bewegt, dass wir einen Menschen als evangelische Kirche öffentlich ehren, der sich doch von uns durch Austritt in gewisser Weise distanziert hat und katholisch wurde. Doch er war eben unterwegs mit Jesus und ein großer Zeuge des Evangeliums.
Die Nazizeit ist unvergleichlich zur heutigen Zeit. Der Punkt, um den es mir geht ist, dass wir als Kirchen heute auch Menschen ehren, die in der anderen Kirche eine größere Heimat sehen. Denn das Wichtigere ist, dass sie Jesus folgen.
Das Miteinander der Kirchen ist ein großer Schatz. Nun bin ich bekanntermaßen leidenschaftliche evangelisch-lutherische Theologin und Bischöfin. Doch offenherzig bekenne ich, dass ich manches in der katholischen Kirche besser finde: Raphaela Holzinger wurde mit der Bibel vertraut über ihren Ministrantendienst. Der ist eine so gute Weise, Kindern und Jugendliche an der Gestaltung von Gottesdiensten zu beteiligen. Denn durch diese Beteiligung wächst Verbundenheit, wird Glaube Heimat. Wenn Frau Holzinger für die Beteiligung Heranwachsender im Gottesdienst einen Weg findet, so verdient sie Unterstützung.
Ich würde mich zudem wirklich freuen, wenn Sie, liebe Frau Holzinger, sich weiter bekreuzigen. Manche denken, das kann man doch nicht machen, wenn man evangelisch ist. Ganz im Gegenteil! Luther empfahl dies. Seine Aufforderung zum Selbstbekreuzigen steht in unserem evangelischen Gesangbuch.
Bisher wusste ich bei ökumenischen Gottesdiensten als Liturgin - wenn ich das trinitarische Votum sprach - durch Blick in die Gemeinde, wer evangelisch und wer katholisch ist.
Das kann sich gerne ändern. Ich werbe dafür, dass lutherische Christen Luthers Aufforderung folgen. Es ist doch wunderbar, mit der Selbstbekreuzigung auszudrücken, ich gehöre zu Christus, der am Kreuz für mich gestorben ist. Er ist das Weizenkorn, ich seine Frucht.
Die Vielfalt christlicher Kirchen ist ein Schatz. Sie dürfen ruhig verschiedene Profile haben. Doch manche Unterscheidung zwischen Evangelisch und Katholisch braucht es wirklich nicht mehr. Wir dürfen auch voneinander lernen. Denn wir folgen gemeinsam dem Gekreuzigten und Auferstandenen nach. Jesus ist unsere Mitte.
Jesus ist auch jetzt in unserer Mitte, wenn wir Raphaela Holzinger ordinieren. Er ist der eigentliche Ordinator. Bitten wir mit dem kommenden Lied gemeinsam um seinen Heiligen Geist.
Amen.