Ordination von Sascha Ebner am 12.09.2021 in Coburg St. Moriz

Predigt von Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner zu Lukas 17, 5-6

Liebe Gemeinde,
 
Das vorgesehene Bibelwort für den heutigen Sonntag ist nur kurz, aber hat es in sich. Es steht im Lukasevangelium, Kapitel 17, die Verse 5 und 6:
Und die Apostel sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!
Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorsam sein.

Als Herr Ebner und ich uns zum Ordinationsgespräch trafen, besprachen wir auch den heutigen Gottesdienst und lasen dabei das Bibelwort dieses Sonntags. Ihre erste Reaktion, lieber Herr Ebner, war mir sehr sympathisch. Spontan entfuhr Ihnen: „Oh das ist schwer“.
Ja, dieses Bibelwort ist schwer für uns alle. Denn wenn wir ehrlich sind, dann haben wir alle nicht mehr Glauben als die Jünger Jesu, die um Jesu Willen alles verlassen hatten. Die bitten Jesus: „Mehre unseren Glauben!“. Eigentlich eine sehr sinnvolle, gute Bitte.
Die Reaktion Jesu aber könnte kaum schroffer sein. Sie spricht den Jüngern faktisch den Glauben ab: Wenn Ihr wenigstens Glauben in der Größe eines Senfkorns hättet, dann könntet Ihr mit Eurem bloßen Wortbefehl einen Maulbeerbaum ausreißen und ins Meer verpflanzen.
Das können die Jünger nicht. Sie haben also nicht einmal Glauben, der so groß ist wie ein Senfkorn.
Die Konsequenz kann für die Jünger – und erst recht für uns - nur sein, dass sie und wir wie Anfänger überhaupt um Glauben bitten:
Herr dann schenke uns Glauben.
Ich verstehe unser Bibelwort so, dass Jesus die Jünger mit seiner Konfrontation nicht zurückweisen, sondern tiefer ins Geheimnis des Glaubens einführen will. Es geht darum, dass die Jünger sich und dass wir uns Gott öffnen und ersehnen, dass er uns neu Glauben schenkt ein wie einem Anfänger.  

Sie, lieber Herr Ebner, haben jedenfalls immer wieder Phasen gehabt in Ihrem Leben, in denen Sie - von Gott geführt – neu Glauben geschenkt bekamen.
Aufgewachsen sind Sie in einem katholischen Elternhaus in Aschbach. Sie hatten engagierte Religionslehrer, die Ihr Interesse am Glauben weckten. In der 5. Klasse Gymnasium begannen Sie selbst Bibel zu lesen.
Mit 14 Jahren wussten Sie durch eine besondere Glaubenserfahrung, dass Gott Sie ruft auf einen Weg mit ihm.
Neu anfangen zu glauben. - Manchmal gibt es dafür auch äußere Schritte: Nach einer längeren Phase des Ringens traten Sie mit 16 Jahren aus der katholischen Kirche aus und entschlossen sich nach drei Monaten intensiver Reflexion zum Eintritt in die evangelische.

Nach diesen bewussten Schritten folgte eine Zeit „geistlicher Trockenheit“, wie Sie selbst sagen. Trotzdem blieb das Interesse an Glaubensthemen in Ihnen wach, sodass Sie das Gymnasiallehramts-studium für die Fächer Latein und evangelische Religionslehre ergriffen.
Aber nach drei Semestern spürten Sie, dass die Theologie Sie fasziniert und der Pfarrberuf Ihr Weg ist.

Wie bei den Jüngern, so nehme ich auch bei Ihnen diese sehnende Suche nach Glauben wahr. Bei Ihrer Suche halfen Ihnen die kirchliche Studienbegleitung und Ihr Aufenthalt bei verschiedenen evangelischen Kommunitäten:
bei der Christusbruderschaft in Selbitz und auf dem Petersberg, bei der Christusträger-Bruderschaft in Triefenstein und der Kommunität Jesusbruderschaft in Gnadenthal.

Ihre Sehnsucht nach erfahrbarem Glauben und gelebter Frömmigkeit ist ein Gottesgeschenk und als solches eine große Stärke. Dies gilt umso mehr, als Sie diese Seite erfahrbarer Gottesbeziehung auch durchdenken mittels einer Doktorarbeit, die Sie schreiben wollen zum Thema „Mystik und Seelsorge“.

Einige von uns im Kirchenschiff werden den Ausspruch des katholischen Theologen Karl Rahner kennen: „Der Fromme“ - bzw. „der Christ der Zukunft - wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein“.  
Ja, zum Glauben gehören Erfahrungen oder er vergeht.
Also doch Bäume ausreißen, die Macht des Glaubens spüren?
Jesus hatte zweifellos den stärksten Glauben, den wir uns vorstellen können: Er war in seiner Heiligen Schrift zu Hause  und lebte in stetiger betender Beziehung zum Vater im Himmel. Und heilen konnte er auch.
Aber Bäume ausgerissen und ins Meer verpflanzt – das hat er nicht. Um solche Shows, um Mirakel, kann es ihm offensichtlich doch nicht gehen. Vielleicht nimmt das sogar gerade auf´s Korn.
Um was geht es aber dann?

In den Versen direkt vor unserem Bibelwort steht folgendes:
Wenn dein Bruder sündigt, so weise ihn zurecht; und wenn er umkehrt, vergib ihm. Und wenn er siebenmal wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich!, so sollst du ihm vergeben.
Die Bitte der Jünger nach stärkerem Glauben folgt also auf die Aufforderung Jesu, unaufhörlich zu vergeben.
Denn zum Glauben, wie Jesus ihn lebt, gehört vor allem die Erfahrung, dass unser Leben heil wird. Auch das Evangelium, das wir vorhin gehört haben und das uns aufruft, die Sorgen sein zu lassen und Gott zu vertrauen, gehört in dieses Ziel, dass unser Leben heil wird.

Vergeben war für Jesus dabei zentral. Darum kommt im „Vater unser“ auch die Bitte vor: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Dass wir vergeben, gilt im Vaterunser unabhängig davon, ob uns die Person um Vergebung gebeten hat oder nicht.
Um das zu können – allen denen zu vergeben, die an uns schuldig geworden sind, braucht es wirklich Glauben wie ein Senfkorn. Senfkörner sind würzig mit wärmender Wirkung.

Im Nachdenken über dieses Bibelwort fiel mir eine Frau ein, der ich noch etwas nachtrug. Wir waren vor etlichen Jahren zum letzten Mal gemeinsam auf einem Segelboot. Sie vermied bestimmte notwendige Tätigkeiten, die ich stillschweigend tagelang übernahm. Danach hatte ich einen Tennisarm, der weit über ein Jahr intensiv behandelt werden musste.
Ich habe bis heute Beschwerden und wenn die Beschwerden zunehmen, so spüre ich einen gewissen Groll in mir aufsteigen. Dabei hätte ich ja nicht so dumm sein müssen und die Tätigkeit stillschweigend übernehmen.
Aber solch eine Analyse erlöst nicht völlig vom Ärger, - nur das Vergeben erlöst. Unser Bibelwort war mir Anstoß ihr ganz zu vergeben. Dann ist Schluss mit dem Nachtragen. Dann hat Groll keine Chance mehr. Er trollt sich.

Der Maulbeerbaum ist ein Baum mit besonders tiefen Wurzeln: Dem Glauben gelingt es, die Wurzeln jeden Grolls in uns auszureißen durch Vergeben. Mein Beispiel ist ja nur ein kleines. Manche von Ihnen haben viel größeren Grund zum Nachtragen.
Die wunderbare Erfahrung, frei zu werden von Bitterkeit, vom Nachtragen, vom Pflegen der eigenen Verletztheit kommt durchs Vergeben ins Leben jedes Christen. Die Fähigkeit zur vergeben wird uns geschenkt durch die Verbindung zu Gott, der uns alles vergeben hat.
Jeder von uns kann mit diesem Glauben immer wieder neu anfangen und das Vergeben Gottes annehmen und für sich selbst durchbuchstabieren. Manchmal merken wir auch erst nach Jahren, was wir immer noch in uns tragen an Groll – gegenüber dem eigenen Mann, den eigenen Eltern, den Geschwistern oder auch gegenüber einem Freund, oder einer Nachbarin.
Jesus hat sogar am Kreuz für seine Folterer gebetet: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Das gehört zum Kern des Glaubens Jesu: In der betenden Verbindung zum Vater vergeben. Von der Vergebung Jesu leben wir. Diesen Weg zu gehen, wird zu tiefen Glaubenserfahrungen führen, zu großer Freiheit zum inneren Heilwerden.

Lieber Herr Ebner, ich freue mich sehr über Ihren Weg des Glaubens. Ihr Ordinationswort ruft Sie und uns alle zu großer Bescheidenheit: Unser Glaube ist kleiner als ein Senfkorn. Es gilt im Glauben stets neu anzufangen mit der Sehnsucht, dass Gott Glauben schenkt.
Lieber Herr Rothmund dieses Bibelwort ist zugleich Ihr Einführungswort, denn Sie beide werden sich die Pfarrstelle in der KG Scheuerfeld-Weidach teilen. Das ist Ihrer beider Wunsch. Ich freue mich für die Kirchengemeinde sehr und auch für Frau Pfarrerin Braunschweig-Gorny, die so lange tapfer und gekonnt vertreten hat. Allen danke ich, die mitgetragen haben.
Wenn Leitungspersönlichkeiten zusammen-arbeiten, dann kann es gar nicht ausbleiben, dass sich die Partner irgendwann etwas nachtragen. Wundersam, wenn das bei Ihnen anders wäre!
Die Pfarrstelle ist groß und die Arbeit wird insgesamt nicht weniger, wenn sich zwei die Stelle teilen, ganz im Gegenteil.

Sie beide sind mutig, dass Sie diese Zusammenarbeit wagen. Gut so! Diese Zusammenarbeit ist zum einen eine Frage reflektierter Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Die haben Sie beide! Und als geistliche Menschen, die Sie beide sind, ist solche Zusammenarbeit auch eine Schule des Glaubens:
Dem anderen innerlich vergeben, bevor Sie ein Ärgernis ansprechen. Vergeben heißt ja nicht, alles schlucken. Vergeben heißt, ich lasse mich von Gott befreien von meinem Groll, meinem Ärger.
In dieser Freiheit lässt sich dann ganz anders reden – falls noch nötig – liebevoll und klar. Das wird nicht immer gelingen – mir auch nicht. Aber es ist als Christen unser Weg für jede Beziehung, in der wir stehen.

Lieber Herr Rothmund, Ihre Ordination haben wir vor zweieinhalb Jahren, am 17. März 2019 in Elsa gefeiert. Sie, lieber Herr Ebner, gehen heute diesen Schritt der Ordination.
Sie werden heute für Ihr ganzes Leben berufen in die Jesusnachfolge.
Sie werden gesandt in den Dienst der öffentlichen Wortverkündigung und der Feier der Sakramente. Und Sie werden gesegnet: Christus, Ihr eigentlicher Ordinator, der Ihnen zu sagt, alle Tage bei Ihnen zu sein.
Lieber Herr Rothmund und lieber Herr Ebner, als Ordinierte unserer Kirche werden Sie zusammen mit vielen Mitarbeitenden die Samenkörner des Glaubens - Senfkörner - auswerfen, sodass Glaube in Menschen wächst. Sie brauchen keine Bäume ausreißen. Aber Sie werden Glauben ersehen in Demut wie Anfänger und erfahren, wie Gottes Vergebung befreit und Leben heilt.
Amen.