Wiedereinweihung der St. Burkardkirche in Dörflis am 2. Advent 2022

Wir haben es vorhin in der Lesung gehört: Das reguläre Predigtwort für diesen Einweihungs-sonntag ruft „komm!“ Geschrieben wurde es als Liebeslied eines Mannes, der seine Liebste ruft und lockt.
Dass solch ein Liebeslied in der Kirche vorgetragen wird, ist neu – wirklich ungewöhnlich. Es hat ein paar Jahrhunderte gedauert bis das nun – durch die neue Ordnung der Predigttexte – möglich wurde. Aber warum sollten wir dieses Liebeslied nicht in der Kirche lesen, wo es doch in der Bibel steht.
Die Bibel spricht sehr offen über Sexualität, viel offener als das viele Generationen lang in der Gesellschaft praktiziert wurde, viel offener als das noch in meinem Elternhaus der Fall war.
Inzwischen hat sich da Gott sei Dank viel getan. Sexualität ist ein großes Geschenk Gottes. Es ist ein echter Antrieb im Leben. Ja, gewiss; es gibt auch Perversionen, Entstellungen. Aber Homosexualität ist als treu gelebte Form gewiss keine.
Die schlimmsten Formen der Perversion sind immer kombiniert mit Machtausübung verschiedenster Art über Menschen. Dort aber, wo Menschen sich aus echter Zuneigung einander schenken, ist sie kostbar.
Sexualität bedarf des geschützten Rahmens – nicht nur, aber auch um der entstehenden Kinder willen. Ihre eigentliche Schönheit entfaltet sie in einer treuen, lebenslangen, reifen Beziehung. Daher bin eine Befürworterin der Trauung, in der Menschen, den Segen für ein langes gemeinsamen Leben erbitten.

Was hat das aber nun mit dem Advent zu tun und mit der Einweihung unserer Kirche?
Dieses Bibelwort, dieses Liebeslied, wurde schon immer übertragen auf die Liebe Gottes zu seiner Gemeinde. Ihr Lieben, Ihr seid als Gemeinde im übertragenen Sinne die Braut Gottes, der Euch ruft. Er ruft Euch in eine Liebesbeziehung zu ihm. Gott hat Euch von Herzen lieb. Er sehnt sich nach Euch.
Jedes Glockenläuten ist ein Ruf in die Beziehung zu Gott. Die Glocken läuten hier in Dörflis um 6, 10, 12 und 18 Uhr, also vier Mal am Tag, damit Ihr den Alltag unterbrecht und kurz an Gott denkt, ein Vater-unser betet oder ihm einfach „Danke“! sagt für etwas Gutes, das Ihr gerade erlebt, oder auch einfach ein „Hilf mir“, wenn Ihr seine Hilfe braucht. Gott freut sich wenn Eurer Herz sich ihm öffnet, wenn ihr zu ihm kommt in Gedanken.
Und er freut sich, wenn Ihr zu ihm kommt in den Gottesdienst. Unser Bibelwort klingt wie ein Lockruf in den Gottesdienst: „Steh auf, meine Freundin und komm, meine Schöne, komm her.“ 10.15 Uhr ist nicht zu früh. Da hat man gut gefrühstückt und kann kommen – um hier mit ihm in Kontakt zu sein. Hier hört Ihr seine Worte, sprecht Ihr betend zu ihm, singt für ihn.
Überall können Ihr Euch mit ihm treffen. Doch ein Gotteshaus ist in jeder Region der wichtigste Ort, die Liebesbeziehung zu Gott zu nähren. Er freut sich, dass Ihr heute da seid und sagt: Komm wieder. Ich rufe Dich, ich habe Dich lieb.
Er ruft übrigens auch nach Köslau, wenn alle zwei Wochen der Gottesdienst dort ist. Das ist nur zwei Kilometer entfernt. Und er ruft die Köslauer hierher. Der nächste Supermarkt - Aldi oder Netto oder Lidl - ist bestimmt weiter weg – und zu dem fahren wir auch. Nicht nur unser Körper braucht Nahrung, sondern auch die Seele.

Die Liebe zu Gott und die Liebe zwischen Menschen hat viel mit Gefühlen zu tun - aber nicht nur. Je länger ich verheiratet bin, desto deutlicher wird mir, wie viel die Liebe mit guter Gewohnheit zu tun hat - mit eingeübter Gemeinsamkeit.
Ich erzähle ein wenig aus meiner Ehe, über die ich sehr glücklich bin: Vergangenen Donnerstag ist mein Mann morgens nach Cham gefahren heute um 15 Uhr kehrt er von dort zurück. In dieser Woche fährt er am Donnerstag nach Selbitz. Er ist ja auch Pfarrer und bildet Lektoren und Prädikanten aus. Ich bin manchmal von Montag bis Mittwoch auf Sitzung des Landeskirchenrates in München. Wir sehen uns leider oft lange nicht. Doch egal wo wir sind: Wer auswärts übernachtet, ruft den anderen am Spätabend an und wir nehmen uns ein wenig Zeit für einander.
Wenn wir nicht auf Tagungen sind, wartet mein Mann auf mich bis ich abends heimkomme. Auch wenn es auch noch so spät ist – oft 22.30 Uhr setzen wir uns noch zwei Stunden zusammen – ohne, dass der Fernseher läuft; wir lesen und sprechen oder machen auch ein Gesellschaftsspiel.
Es wird dabei manchmal sehr spät oder früh – aber wir haben Zeit für einander. Eine gute Ehe braucht Zeit und Zuwendung – und da ist Erotik nur ein kleiner Teil.
Auch Sie haben Weisen gefunden Ihre Ehe oder Ihre guten Freundschaften warm und lebendig zu halten. Manche mögen es, gemeinsam spazieren zu gehen oder miteinander Kaffee zu trinken. Es braucht gute Gewohnheiten.
Und so ist es auch in der Gottesbeziehung. Die Liebe zu ihm wird kalt, wenn wir ihr nicht gute Gewohnheiten gönnen. Glaube hat ganz viel mit Einübung in gute Gewohnheit zu tun.
Das Wunderbare ist: Gott ist ein unverbesserlicher Liebhaber. Er wartet – auch wenn wir ihn zeitenweise vergessen. Er ist treu und lockt: „Steh auf, meine Freundin und komm, meine Schöne, komm her.“

Sie haben jetzt wieder ein wunderschönes Gotteshaus, in das er Sie locken kann.
Übrigens, die Liebe zu Gott zeigt sich auch darin, wie wir unsere Gotteshäuser pflegen. In dieser Renovierung steckt Liebe. Sie haben hier viel Geld investiert, viele von Ihnen haben gespendet. Auch darin zeigt sich Liebe zu Gott.
Auch für Handwerker, Architekten und weitere Beteiligte ist solch eine Kirchenrenovierung etwas Besonderes. Als mein Mann und ich die Holzkirche in Holzkirchen Oberbayern bauten, da spürten wir, wie viel Liebe zu Gott durch Handwerker in den Bau eingeflossen ist – und gewiss auch in diese Renovierung. Auch Pinselstriche können in Liebe zu Gott geschehen.
Pfarrer Hohlweg und die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen haben viel Liebe in den Münzen von Zeit und Nerven investiert. Wie viele Stunden wurde über die Gestaltung beraten! Es gab zum Beispiel die Meinung, dass dieses Glasfenster, weil es so bunt ist, nicht so prominent vorne seinen Platz haben sollte, sondern an anderer Stelle.
Doch von Herrn Hohlweg weiß ich, dass die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen dieses Fenster liebgewonnen hatten. Also blieb es. Denn es geht ja nicht nur um irgendein Fenster, sondern eines, in das sie schon so oft geschaut haben.
Und: Es stellt Jesus als Sämann dar. In solch einem Fenster kristallisiert sich daher die Liebe zu dem, der so oft schon Worte und Gedanken in unser Herz gesät hat, die halfen weiterzuleben.
Unter dem Fenster steht freilich ein Mahnwort aus einem alten Nachtwächterruf, das daran erinnert, dass das menschliche Herz manchmal nicht aufnahmebereit ist für die Worte Jesu: „Vierfach ist das Ackerfeld, Mensch, wie ist Dein Herz bestellt?“ Manchmal schaden mahnende, zur Umkehr rufende Worte nicht.
In diesem Fenster kristallisiert sich die Erfahrung, dass Jesus zu uns spricht – allermeist voll Erbarmen und sagt: Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will Euch erquicken. Da ist er wieder dieser Liebesruf: „Komm“.
Und manchmal ruft er auch in die Nachfolge: „Komm, ich brauche Dich. Hilf mir, dass Menschen wieder an mich glauben. Bring andere mit; vielleicht Deinen Ehemann oder Deine Ehefrau, die nicht so viel Lust hat zu kommen. Neue Liebe zu mir kann wachsen.“
Jedenfalls - die Worte, die durch Jesus gesät werden in unser Herz, sind immer Worte, die uns und anderen zum Leben helfen – zum Leben hier auf der Erde und zum Leben nach dem Tod bei ihm im Licht.

Zur Liebe des Kirchenvorstands zum Christus-Sämann-Fenster passt die Neugestaltung des Lesepults. Ähren sind hier angedeutet. Weizenkörner, die in die Erde fallen wollen und vielfältig Frucht tragen werden. Auch die Liedtafeln enthalten in der Borde Pflanzenranken, sogar Blüten. Denn gerade durch das Singen von Liedern, kann Glaube neu keimen, Wurzeln bilden und blühen.
Auch im neuen Vortragekreuz und im Osterleuchter sind Wachstumsmotive. Wenn Sie den Osterleuchter suchen sollten: Er ist multifunktional und dient jetzt im Advent als tragender Ständer für den Adventskranz.
Ein Pflanzenmotiv finden Sie auch in der Abdeckung des Taufsteins, die neu gestaltet ist. Mit dem goldenen Pinienzapfen oben sieht die Abdeckung aus wie eine Krone erinnert an das Bibelwort: „Halte, was Du hast, dass niemand Deine Krone nehme“. Mit anderen Worten: Behalte den Glauben in Dir, pflege ihn, dass er wächst. Vergiss nicht, Du bist durch die Taufe ein Königskind.
Jesus sät – und Gottvertrauen wächst. Durch die Neugestaltung Ihrer Kirche ist der Blick auf Jesus, den Sämann, sogar noch unverstellter, weil das große Kreuz die Sichtachse nun nicht mehr unterbricht. Das Kreuz ist aber nicht verschwunden, sondern an der Südwand angebracht und kann allen auf der Empore ein Meditationsanker sein.

Ich möchte Euch Dörflisern unverhohlen ein großes Kompliment machen. Ich gratuliere Euch zu Eurer attraktiven Kirche. Die 40 Stufen schnauft man jetzt noch viel lieber hinauf. Und weil ihr den guten Schritt gemacht habt, eine Pfarrei zu bilden, können auch alle Pfarreigemeinden mit Euch Dörflisern ein wenig stolz sein: alle aus Unfinden, Junkersdorf, Hellingen, Altershausen, Köslau, Königsberg. Durch die Restaurierung ist St. Burkhardt viel heller, freundlicher geworden, passend zum Glauben an unseren Erlöser.
 
Noch ein letztes zu unserer Kirche – weil wir ja nicht nur Kirchweih feiern, sondern auch Advent:
Die neue Quadermalerei betont den Triumph-bogen. So fällt er überhaupt erst auf.
Sie kennen vielleicht die Triumphbögen, die in Rom oder Paris extra gebaut wurden, damit der Herrscher durch sie hindurchreiten konnte - um ihn festlich zu empfangen. Ein Triumphbogen ist ein in Stein gebauter Willkommensgruß für den König – auch in der Kirche.
Unser Herr ruft nämlich nicht nur „Komm“, sondern er kommt auch zu uns. Unser Gottesdienst wird enden mit dem Lied „Tochter Zion“ und dem Jubelruf: Sieh Dein König kommt zu Dir. Er kommt im Wort zu Dir, im Segen, der hier vorne gespendet wird und im Abendmahl, das Du hier vorne empfängst.
Eure Kirche ist eben ein Ort der Begegnung der Liebe zwischen Gott, der zu Euch kommt und Ihr zu ihm.
Amen.