1000 Jahre Bamberg St. Stephan

Predigt von Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner am 19.01.2020 in St. Stephan Bamberg

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt.


Liebe Gemeinde,
das Jubiläumsjahr zu 1000 Jahre St. Stephan beginnt. Ich freue mich sehr, mit Ihnen diesen herausragenden Anlass zu feiern. Dazu passend schreite ich mit Ihnen in der Predigt einen Weg ab in fünf Schritten zur Stephanusgeschichte und Stephanskirche, zu Stephansbildern, Stephans-festjahr und Stephanslied.

Zuerst also die biblische Stephanusgeschichte, die um 36 n. Chr. spielt:
Nach Jesu Tod hatte sich der christliche Glaube in Jerusalem ausgebreitet. Die Gemeinde wurde groß. Einzelne Bedürftige gingen fast unter. Doch die Liebe war von Anfang an wichtig.
Darum wählte die Gemeinde sieben bewährte Christen zu Diakonen – übersetzt: zu Dienern. Diese Diakone sollten sich darum kümmern, dass gerade die Armen und Benachteiligten Hilfe erfahren: das waren damals in Jerusalem besonders die griechisch sprechenden Witwen sowie insgesamt die Fremden und auch die Waisenkinder.
Unter den sieben Diakonen hatte Stephanus eine Hauptrolle. Es heißt von ihm: Er war voll Gnade und Kraft, tat Wunder und große Zeichen und er bekannte sich öffentlich zu Christus.
Sein Name deutet darauf hin, dass er selbst aus dem griechischen Kulturkontext kam. Die griechisch sprechenden Juden stritten mit ihm. Seine Wirksamkeit störte. Weil Stephanus ihnen argumentativ theologisch weit überlegen war, stellten sie falsche Zeugen auf, die ihn vor dem Hohen Rat, dem jüdischen Leitungsgremium, verleumdeten.
Stephanus aber nutzte den Auftritt vor dem Hohen Rat zu einer langen Predigt – die wurde bei unseren zwei Lesungen klugerweise ausgelassen. Darin klagt er die Anwesenden an, dass sie nicht wirklich ihr Herz Gott zuwenden.
Doch die Emotionen kochen erst über, als Stephanus sagt, was er gerade sieht. Er hat eine Vision: Er blickt in den Himmel und sieht Jesus zur rechten Gottes stehen.
Das war für damalige fromme jüdische Ohren entsetzlich. Denn erstens ist Gott so heilig, dass man ihn nicht schauen kann, und zweitens kann der gekreuzigte, verfluchte Jesus, niemals zur Rechten Gottes stehen. Das kann nicht sein und darf nicht gesagt werden. Der aufgepeitschte Mob greift zur Lynchjustiz, packt Stephanus und steinigt ihn. Sterbend betet er: „Herr Jesus nimm meinen Geist auf.“ Und wie Jesus es am Kreuz getan hat, bittet auch er für seine Mörder, dass Gott ihnen ihre Sünde nicht anrechnet.

Die Stephanskirche, unser Jubilar, erinnert mit ihrem Namen St. Stephan an diesen besonderen Menschen, der in Liebe den Witwen, Fremden und Kindern diente, der sich zu Christus bekannte und sogar bei seiner Steinigung seinen Mördern vergab.
In einer Kirche mit solch einem Namen, solch einer Identifikationsfigur bin ich gerne. Ihr Name verknüpft uns mit jenem historischen Geschehen.
Der zweite Knotenpunkt, mit dem uns diese Kirche verknüpft, ist natürlich die Zeit als diese Kirche entstand und ihren Namen erhielt: Kaiser Heinrich II und Kaiserin Kunigunde gründeten das Kollegiatstift St. Stephanus. Ein Kollegiatstift ist kein Orden aus Mönchen, Nonnen, Klerikern.
Zu einem Kollegiatstift gehören vielmehr säkulare Adelige, die sich täglich zur Messe zusammenfinden und zu den Stundengebeten und sich um den Erhalt einer Kirche kümmern.
13 Jahre nach Gründung des Kollegiatstifts St. Stephanus wurde dann die dazu gehörige Kirche geweiht durch Papst Benedikt VIII im Jahr 1020, vor genau 1000 Jahren. Es ist uns Evangelischen eine Ehre, eine päpstlich geweihte Kirche unser eigen zu nennen - zumal es wohl die einzige von einem Papst geweihte Kirche nördlich der Alpen ist. Dass ausgerechnet nun sie evangelisch ist, darin sehe ich den Humor Gottes.
Ende des Mittelalters wurde die Kirche baufällig und musste abgerissen werden. Die heutige Kirche, deren Chor mitten im Dreißigjährigen Krieg 1628/29 erbaut wurde, steht auf den Grundfesten dieser ursprünglichen Stephanskirche. Darum können wir heuer 1000 Jahre St. Stephan begehen. Wir wissen uns verbunden mit allen, die in diesen 1000 Jahren sich hier vor Gott versammelt haben, egal ob sie katholisch oder evangelisch waren. Ein durch Gebet, Wort Gottes, Abendmahl, Taufe – ein durch Gottes Gegenwart geheiligter Ort.

Stephansbilder: Um Gottes Gegenwart geht es auch im Bild hier im Hochaltar von Jakob Scheubel dem Älteren aus dem Jahr 1730. Zu sehen ist, wie starke Männer große Gesteinsbrocken auf Stephanus werfen. Er schaut nicht verzweifelt, ganz im Gegenteil er schaut in Frieden nach oben. Über ihm steht leuchtend der Himmel offen, Gottes Geist schwebt über ihm. Ein Engel bringt ihm schon den Palmzweig – seit jeher Zeichen für siegreiche Heimkehr von Kämpfern. Die christliche Tradition münzt also dieses Symbol um: wer getötet wird,  gewaltlos bleibt und in Glaube und Liebe stirbt, hat den Kampf nicht verloren; er kehrt siegreich heim zu Gott.
Was mich aber an Ihrem Altarbild stutzig machte ist folgendes: Aus unserer biblischen Geschichte wissen wir ja, was Stephanus in seiner Vision sieht: Er sieht die „Herrlichkeit Gottes und Jesus stehen zur Rechten Gottes“. In unserem Bild blickt Stephanus auf Jesus, der zur Rechten Gottes steht. Doch alles, was  links von Jesus sein müsste – also Gott in seiner Herrlichkeit und Gegenwart ist nicht gemalt.
Dass Bild ist so angelegt, dass wenn Jesus zur Rechten Gottes steht, so ist Gott – räumlich vorgestellt – hier im Chorraum, hier in der Kirche. Gottes Gegenwart ist über uns.
Vielleicht wissen Sie, dass ich gerade die Markgrafenkirchen Oberfrankens versuche zu erschließen. Es gibt so gut wie keine ausgestaltete Markgrafenkirche, in der wir nicht das Motiv des offenen Himmels haben, auch in Steppach ist das so. In diesen Kirchen sollen Menschen angeleitet durch das Bildprogramm die Erfahrung machen: Über Dir ist der Himmel offen.
Darum ist mir Ihr offener Himmel hier in St. Stephan aufgefallen. Sie haben ihn nicht nur im Gemälde, sondern auch zentral in der Vierung, in der die vier gleichschenkligen Schiffe der Kirche zusammen finden. Zu dem für eine Kirchendecke sehr seltenen Motiv, der Steinigung des Stephanus, gehört ganz zentral eben der offene Himmel, in den Stephanus schon hineinblicken darf. Auch über Ihnen ist der offene Himmel.

Es gäbe noch so viel zu entdecken in Ihrer wunderschönen Kirche: auch der Stephanus als Schlussstein im Gewölbe des Chorraums, erkennbar am Palmzweig. Wie gut, dass es dieses Stephansfestjahr gibt, in dem sich Ihnen Ihre Kirche noch mehr als bisher erschließen wird. Ich gratuliere der Kirchengemeinde und der ganzen Stadt Bamberg zu 1000 Jahre St. Stephan und zu diesem exquisiten Jahresprogramm. Es ist so sinnvoll angelegt mit seinen geistlichen, ökumenischen, bildenden, kirchenmusikalischen und kulturellen Dimensionen; heute werden wir gleich die erste Ausstellungseröffnung erleben mit Kunstwerken von Frau Olbrich. Besonders freut mich, dass die Jugend eigens im Blick ist. Klasse, dass St. Stephan durch seine Forschungen zum Jubiläum auch die Tradition des Kinderbischofs wiederbelebt. Vieles mehr wäre zu nennen, denn Ihr Festprogramm ist an Attraktivität und Höhepunkten nicht zu überbieten. Es ist klug durchdacht. In ihm zeigt sich große Liebe zu St. Stephan.

Zu diesen Liebeserklärungen gehört auch, dass der Kirche zum 1000-jährigen Geburtstag ein Stephanslied geschenkt wird. Wir haben es heute zum ersten Mal gesungen und ich bin ganz sicher, dass es durch seine Qualität in Text und Melodie auch nach diesem Jahr weiter erklingen wird. Der Refrain soll ruhig ein Schlager werden. Denn „es geht um die Liebe und um das Erbarmen“ – nicht nur im Leben des Stephanus als Diakon, darin ist er uns Vorbild, sondern auch für uns. Denn die Liebe und das Erbarmen ist mein Weg, es ist Dein Weg, eben der Weg Jesu. Geh diesen Weg. Stephanus sei Dein Vorbild.
Vers 5: „Von Hass und Häme ungebeugt“ hat er mit seinem Blut diesen Weg bezeugt. Dass wir Blutzeugen werden, davor möge Gott uns bewahren und auch die an Christus gläubig gewordenen Geflüchteten aus Ländern wie Iran und Afghanistan. Möge Gott sie bewahren vor der Abschiebung und auch hier vor Hass und Häme militant anders Glaubender. Das Blut-Ende des Stephanus ist in manchen Ländern der Erde aktuelle Realität.
Gott sei Dank können wir ungefährdet den Weg Jesu, den Weg der Liebe und des Erbarmens und des Bekennens zu Jesus Christus gehen. Hass und Häme machen sich gerade im rechtspopulistischen Milieu wieder breit. Gerade auch gegenüber unserem christlichen Weg der Liebe und des Erbarmens.
Dem gegenüber sage ich: Es gibt keinen anderen Weg, der diese Welt heilt. Jesu Liebe, sein Erbarmen ist die größte, wirksamste Gegenbewegung zu Hass und Häme für die große weite Welt, für jede Familie.
Es ist zugleich der Weg zu Christus ins Licht. Glaube dem, was Stephanus gesehen hat: Der Himmel ist offen über Dir. Du wirst nach dem Tod bei Christus sein.
Stephanus ist uns den Weg zu Christus vorausgegangen bis zum Ende liebend, bekennend, vergebend. Dieses Jahr bietet Gelegenheit, diesen Weg zu üben und andere einzuladen, ihn mitzugehen.
Ein gesegnetes Jahr Ihnen allen. Amen.